Jonas’ WM-Tagebuch 2015: Schlusswort

Sehr geehrte/r Leser/in dieses Blogs 🙂

Wie euch sicherlich aufgefallen ist, herrschte hier nach den ersten zwei Blogeinträgen tote Hose. Ich habe das bloggen nach drei Tagen sein lassen. Zu gross war mir der Zeitaufwand und zu gedrängt war das Programm. Nach einer technischen Panne habe ich mir dann gesagt: “Fertig, lass es sein, konzentriere du dich jetzt auf deine Wettkämpfe. Das ist alles was zählt”.

Das war an dieser WM bitter nötig. Ohne die nötige Arbeitsentlastung hätte ich die Zeit in Ulan-Ude wohl nicht so geniessen können und hätte wohl nicht solch unerwartete Erfolge einheimsen können.

Ich möchte die restlichen WM-Tage in diesem Blogeintrag für mich nochmals zusammenfassen und damit auch einen Schlussstrich darunter ziehen. Gerne möchte ich nochmals auf die offizielle Berichterstattung verweisen. Ich gebe mein Bestes, hier nicht nochmals dasselbe zu schreiben (Danke Dominic Niederberger!).

Nachtrag Baykal-Cup

Im vorherigen Post habe ich was von verlorenen Videos gesagt. Die sind nun wieder aufgetaucht! Hier somit alle 4 Performances der Baykal-Cup-Siegerehrung:

Trainingstag und Eröffnungszeremonie

Wir erhielten nach dem Baykal-Cup und der ansprechenden Siegerehrung nochmals einen Tag, um uns auf die kommenden Wettkämpfe vorzubereiten. Das wirkliche Highlight an diesem Tag war jedoch die Opening Ceremony. Was uns die Russen hier boten, war wirklich phänomenal!

Stattgefunden hat die Eröffnungszeremonie auf dem Leninplatz mit einem riesigen Lenin-Kopf in der Mitte als Denkmal.

Wie gewohnt durften alle teilnehmenden Nationen zu Beginn der Eröffnungszeremonie einmarschieren. Dabei wurde jeweils ein Lied, dass das Land repräsentiert abgespielt. Bei uns haben die Veranstalter aber ein bisschen in die Sch… gegriffen. Vermutlich wurde unser Lied mit denen von den Slowenen vertauscht.

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Das Highlight waren die unzähligen Aufführungen mit dem bombastischen Feuerwerk am Ende. Ich habe lediglich das Feuerwerk gefilmt. Ein russisches Fernsehen war mit etlichen Kamerateams vor Ort und haben alles gefilmt. Ich hoffe noch immer darauf, dass dieses Filmmaterial irgendwann mal irgendwo auftaucht…

Das Feuerwerk beginnt bei 2:45 und ist wirklich sehenswert!

Danach haben wir uns (natürlich so früh wie möglich) verduftet, um fit für die ersten Wettkämpfe zu sein.

Erster Wettkampftag

Der erste Wettkampf beginnt wie immer mit 10m bei den Alten und 30m bei den Jungen. Letztere haben die Erwartungshaltung nicht nur erfüllt sondern sogar übertroffen! Insbesondere die Newcomer Michael Gerber und Nicole Bösch haben sich wirklich saugut geschlagen. Und der Joel Brüschweiler, ja, der wurde jetzt endlich mal verdient Weltmeister in der Kombination!

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In der 10m-Anlage sind am Morgen die Frauen gestartet. Das Silvia Guignard eine sackstarke Schützin ist wussten wir ja alle. Dementsprechend sackstark war auch ihr Qualifikations-Resultat…

Nach den Frauen kamen wir Männer an den Start. Ich persönlich erlebte (wie auch schon oft) eine Achterbahnfahrt, konnte aber mein Resultat vom Vortag verbessern und durfte somit noch im Final mit den Besten 8 mitschiessen. Meinen Teamkameraden hat es leider (knapp) nicht gereicht. Über die Finalteilnahme war ich enorm erfreut. Mein Ziel war ja Finalteilnahme in irgendeiner Disziplin. Das schon am ersten Wettkampftag zu erreichen war äusserst zufriedenstellend.

Der anschliessende Final der Frauen war spannend. Silvia liess nichts anbrennen und bodigte mit einem 98-er Final die Konkurrenz und gewann wie schon im Jahr 2003 den Weltmeister(innen)titel über 10m. Mit egalisiertem Weltrekord!

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Für mich waren solche Titel ein wenig weit in der Ferne. Ich habe mich hinter der russischen Gewehrweltelite und dem Deutschen Martin Leibig als Siebter für den Final qualifiziert. Medaillenränge waren unrealistisch bis unmöglich. Ich habe trotzdem mein Bestes gegeben, wollte ja neben den Stars nicht wie ein Lappen aussehen.

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Bild: Gerold Pfister

Und tatsächlich, konnte ich einen bombigen Final schiessen. Mit 99 Punkten weit über meinem typischen Finalresultat von etwa 94. Für mich war dieser Wettkampf sehr befriedigend und ich durfte im sechsten Schlussrang beenden. Hinter fünf Russen natürlich. Es stellt sich für mich in der Reflexion heraus, dass dieser Final auch zum Erfolg der kommenden Tage beigetragen hat. Dazu jedoch später mehr.

Nach den Finalwettkämpfen die traditionelle Flower Ceremony, bei welchen die Einzelmedaillengewinnern ein erstes mal gewürdigt werden. Aufgrund der jetzt schon platzenden Grösse des Beitrages werde ich auf Bilder verzichten.

Zweiter Wettkampftag

Am zweiten Tag wechselten die Disziplinen. Die Jungen durften in die pompöse Sporthalle 10m chäppsle, die Alten wechselten zum 30m-Teamwettbewerb (keine Einzelwertung).

Natürlich bewies bei den U23 Herren Joel Brüschweiler (mal wieder) sein Talent und wurde Vizeweltmeister. Bei den Damen erreichte Joelle Baumgartner den Final.

Die Teamzusammenstellung bei unseren Open Class Teams (welche erst vor Ort gemacht wird) war meiner Meinung nach ausgeglichen. Ich hatte den Eindruck, dass wir mit zwei gleich starken Teams an den Wettkampf antreten, welche beide etwas reissen konnten.
Team 1: Schachgrossmeister Jürg Ebnöther, Roman Gohl und Jonasewitsch Hansenski (danke Urs Huwyler fürs spontane Umtaufen im Schützenkönig!)
Team 2: Silvia Guignard, Ramona Bieri und Renato Harlacher

Als wir dann entschlossen zu den 30m-Ständen schritte bemerkten wir, dass sich die Windbedingungen vom vorherigen Tag nochmals verschlechterten. Wir hatten wohl mit den schlimmsten Windbedingungen seit anno Wilhelm Tell zu kämpfen. Gut, das ist jetzt ein wenig eine gewagte Aussage aber es war wirklich schlimm. Orkanartige Böen bliessen mich und die anderen Schützen regelmässig aus dem Schwarzen direkt ins Weisse. Wenn man da den falschen Augenblick erwischt, kassierte man halt einfach einen 0er oder einen Weisstreffer. Stell dir vor du schiesst neben mighty Sergey Kamenskiy und der schiesst plötzlich 2er weil es ihn beinahe umblässt. Ich erkannte den ernst der Situation spätestens nach einigen Wettkampfschüssen und mir wurde schnell mal bewusst, dass eine 5 (oder weniger!) an diesem Wettkampf nicht gerade eine Schande sein muss. Ich bin sogar ein bisschen stolz, dass ich nicht unter einer 6 geschossen habe. Aber eben, dafür viele davon 😉

Der Stehendwettkampf war für mich physisch und mental enorm anstregend. Ich musste teilweise mehrere Minuten (sic!) im Anschlag bleiben, um irgendwie ein 5sek-Zeitfenster für die Schussabgabe zu finden. Regelmässiges absetzen half nur bedingt. Wenn man dann merkte dass der Wind abflachte und man wieder in die Stellung ging kam bereits der nächste Windpuster.

So kämpften wir uns alle durch den Wettkampf. Uns wurde sogar eine Zeitgutschrift (streng genommen reglementswidrig) gegeben, da sich sonst etliche Schützen einen 0er für die fehlenden Schüsse hätten schreiben lassen dürfen. Kniend danach war ein wenig erträglicher, da die Stellung weniger anfällig auf den Wind ist.

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Bild: Gerold Pfister

Nach dem Wettkampf hatten wir keine Ahnung, ob wir nun gut waren oder nicht. Tatsache war zu diesem Zeitpunkt, dass wohl ausnahmslos jeder sein absolutes Tiefresultat an diesem Wettkampf geschossen hatte. Jürg hatte als Bester 533 geschossen (von allen Teilnehmern), die Anderen von den Schweizern bewegten sich im Bereich von 500-526. Zum Vergleich: Schützen auf unserem Niveau bringen regelmässig 570-580. Dementsprechend gedämpft war die Stimmung. Im Nachhinein muss ich jedoch sagen, dass mir dieser Wettkampf viel am nächsten Tag geholfen hat. Dazu jedoch später mehr.

Nach der Flower Ceremony des 10m-Bewerbes erfuhren wir dann die Resultate des Teamwettkampfes mündlich via Gerold Pfister (offizielle Ranglisten fehlten noch). Ich erfuhr es so beiläufig: Roman Gohl hüpfte zu Jürg und sagte “Hey, mer send imfau Erscht und Zwäit!”. Ich fragte ungläubig ob das in der Einzelwertung war. “Nein”, entgegnete mir Roman. Mit dem Triumph hatten wir im Team nicht gerechnet und waren überaus glücklich, die starken Russen auf Rang 3 deklassiert zu haben. Spätestens jetzt erwies sich die Teamzusammenstellung als genial. Hätten wir die Teams anders zusammengestellt hätte es nicht für Gold und Silber gereicht. Wer viel wagt, der viel gewinnt!

Wir rundeten den gelungenen zweiten Wettkampftag beim russischen Italiener mit einem Essen und einer Partie Billard ab. Und ja, auch ein Bier gönnten wir uns an diesem Abend 🙂

Wir waren an diesem Abend alle ziemlich erschöpft. Um ehrlich zu sein: Vielen von uns war am nächsten Tag bei gleichen Verhältnissen nicht wirklich nach Schiessen zumute. Unser Trainer Bruno hat uns aber wieder ein wenig aufgemuntert und beim Einen oder Anderen sicherlich das Wettkampffieber wieder geweckt.

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Dritter Wettkampftag

Der dritte und letzte Wettkampftag wird bekanntlich nur von der Open Class bestritten. Nach dem Teamwettkampf ging es nun um die begehrten Einzelmedaillen.

Ich war immer noch ein wenig ausgelaugt vom Vortag. Die Wetterbedingungen waren besser als am Vortag, vermutlich auch, weil man den Wettkampfstart insgesamt 2h nach hinten verschoben hat. Besser heisst aber noch lange nicht Gut. Auch an diesem Montag hat es gewindet und uns gefordert. Es war aber nicht mehr ein Ding der Unmöglichkeit, das Ding in die Mitte zu pfeffern.

Dementsprechend locker und leicht verlief mir der Wettkampf. Nach dem Vortag fühlte sich dieser Wettkampf wie der reinste Spaziergang an. Gepaart mit einer ungewöhnlich guten Stellung war ich dementsprechend ein bisschen zu locker und entspannt unterwegs. Das ist im Schiessen auch nicht gut. Ich kassierte dementsprechend ein wenig zu viele 8er, konnte diese jedoch mit einigen 10ern wieder wettmachen. Im Endeffekt blieb ein Naja-Resultat. Nicht zu gut, nicht zu schlecht, Finalteilnahme war noch immer möglich.

Danach, in meiner diesjährigen Sorgendisziplin Kniend, lief mir dann aber den Verhältnissen entsprechend sehr gut. Ich konnte einen wirklich soliden Wettkampf schiessen. Mit diesen 285 Punkten durfte ich sogar Bronze in Empfang nehmen. Die 8 im drittletzten Schuss ärgerte mich danach umso mehr, das hätte Gold geben können. Naja, man will ja in seinem ersten OC-Jahr ja nicht gleich übertreiben.

Das es für den Final reichen dürfte wusste ich dann, ich habe mich also nicht bereits umgezogen. Wir haben eine gefühlte Ewigkeit auf die Zwischenrangliste gewartet und wussten nicht mal, wann der Final der Besten 8 stattfinde würde.

Dann kam sie. Und ich erfuhr, dass ich auf Rang 2 starten durfte. Lediglich einen Punkt hinter dem führenden Russen Kuznetsov. Lediglich zwei Punkte vor dem erfahrenen Gebhard Fürst. Da rutschte mir das Herz erstmals in die Hosen. Ich war zu diesem Zeitpunkt irgendwie gar nicht auf diese Situation vorbereitet gewesen. Das ist leider nicht sehr professionell, da man sich auf genau solche Dinge immer vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt war es für mich aber eher ein Nein ich will nicht!-Gefühl.

Irgendwie konnte ich mich fangen und versuchte aus dem Final vom Samstag Kraft zu schöpfen. Und aus der Situation vom Austria Open früher im Jahr, wo ich mich im Final auch irgendwie halten konnte.

Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr genau an den Final erinnern. Es erscheint mir alles bruchstückhaft, Tunnelblick quasi. Die Probeschüsse (10min) waren bombastisch. Der erste Final-Schuss danach eine Qual. Ich konnte mich in den darauffolgenden Schüssen irgendwie fangen. Trotzdem, der Kommentator, welcher nach jedem Schuss verkündete, dass ich auf dem ersten Rang  mit X wenig Punkten Vorsprung war, machte es auch nicht wirklich besser. Gottseidank gaben mir die Teamkameraden auf den Zuschauersitzen Rückhalt. Gegen Ende drohte die ich-drehe-durch-Blase in meinem Bauch zu platzen. Der 9. Schuss war wohl der Schlimmste und somit auch der Schlechteste, eine 8. Im Zehnten ging es dann irgendwie. Irgendwie hatte ich aber auch das Gefühl, dass der nicht soooo schlecht war. Irgendwie war ich aber auch vermutlich so verkrampft (innerer Anschlag ade!), dass der irgendwo hätte sein können. Ich versuchte mich beim zurückfahren der Scheibe auf ein allfälliges Shoot-Off vorzubereiten. Kuznetsov war lediglich ein Punkt hinter mir und er schoss einen soliden Final. Danach hörte ich Role und das Schweizer Team hinter mir Jubeln und ohne auf die Scheibe zu blicken wusste ich, dass der nicht so schlecht sein dürfte. Ich schaute auf die Scheibe und erblickte einen schönen Innenzehner. Von da an gab es wirklich keine Zweifel mehr.

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Ein Jonas am zusammenklappen / Bild: Gerold Pfister
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Bild: Gerold Pfister

Ich musste wohl danach einige Zeit nach Luft schnappen. Die Nervöseli-Blase platzte auf einmal und hat mich kurz ein wenig überfordert. Danach ging alles schnell und ich kann mich nur noch bruchstückhaft an die Gefühle erinnern. Gratulationen, Doping-Kontrolle, Bankett…

Das tönt jetzt vielleicht ein wenig komisch, aber mir wird im Bauch gleich ein wenig anders, wenn ich diese Zeilen hier schreibe. Ich kann diesen Montag nicht wirklich gut in Worte fassen.

Im Endeffekt habe ich diesen Titel wohl aufgrund dem guten Final am Samstag, dem strapazierenden Wettkampf am Sonntag und nicht zuletzt Dank dem Rückhalt im Team und dem Rückhalt von meinen Liebsten zu Hause, insbesondere meiner tollen Freundin Sévérine, gewonnen.

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Bild: Sévérine “Müüsli” Vock

Bankett, Siegerehrung und weitere Tage in Ulan-Ude

Das Bankett mit Siegerehrung fand am selben Abend statt. Die Erfolge aller Teilnehmer wurde ordentlich gefeiert. Wie immer behandelten uns die Russen wie Könige.

Wir verbrachten zwei weitere eventreiche Tage in Ulan-Ude. Darüber zu berichten würde jedoch den Rahmen dieses Beitrages nun definitiv sprengen 🙂

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Am letzten Tag ein Besuch am Baikalsee

 

Danke

Das WM-Tagebuch 2015 ist nun beendet. Entschuldigung hat es nicht geklappt mit regelmässigen Updates. Es gäbe noch so viel mehr von Ulan-Ude zu erzählen. Leider schaffe ich es nicht, alles noch in diesen Beitrag zu quetschen. Im Endeffekt steht in diesem Beitrag viel zu viel über mich und ist in vielleicht ein wenig in Selbstdarstellung abgedriftet. Ich hätte noch gerne ein wenig mehr über unser wirklich tolles Nationalteam und die anderen Dinge in Ulan-Ude berichtet.
Wir erlebten unvergessliche und anstrengende Tage in Ulan-Ude und diese Beiträge werden diesem Erlebnis sicher nicht gerecht.

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Ich überlege mir, ob ich noch irgendwie eine Bilder-Galerie mit den gesammelten Bildern veröffentlich kann. In meinen Blogeinträgen hat es leider nicht für viele Bilder gereicht. Falls es etwas gibt, werde ich das hier und auf Facebook veröffentlichen.

Vielen Dank fürs Lesen des Blogs und das positive Feedback. Angefangen mit der Idee, meinen Verein mit Informationen aus den Wettkämpfen zu informieren, hat es dieser Blog bis über die Landesgrenzen hinausgeschafft. Das ehrt mich und ich befürchte, ich werde der Leserschaft dieses Blogs gar nicht gerecht. Trotzdem, ein riesiges Dankeschön an dich fürs Lesen und das Interesse am Armbrustschiessen.

Übrigens: Ich habe eine Playlist auf YouTube mit all meinen Videos gemacht. Danke fürs reinschauen.

Bis bald,
Jonas

Guet Schoss wünschen die Armbrustschützen Brestenegg-Ettiswil

Homepage Jubiläumsschiessen: jubiläum.armbrust-ettiswil.ch

Die Homepage für unser Jubiläumsschiessen kann unter folgendem Link aufgerufen werden:

https://jubiläum.armbrust-ettiswil.ch